Die Sage vom frommen Schäfer Wie mag die Sage entstanden sein, deren Inhalt sich zeitlich nicht zuordnen lässt? Es gibt sie in mehreren Varianten. Sicher sind wahre Gegebenheiten mit Fantasie und Aberglaube vermischt worden. „Es war in einer Herbstnacht, als beim Gut Horstenstein ein alter Mann, der sich als Schäfer verdingen wollte, über die Schwelle trat. Da das Gehöft abseits vom Orte lag, wollte der Besitzer dem ungebetenen Gast barsch die Tür weisen, aber die Bitte seiner Frau veranlaßte ihn, den seltsam genug aussehenden Alten mit dem dünnen Haupthaar und dem am Kinn gescheitelten „Heilandsbart" bei sich aufzunehmen. Der „Heiland", wie der Alte auch wegen seines dem leidenden Christus ähnelnden Aussehens genannt wurde, wirkte mit besonderem Segen. Alles was er tat, gedieh. Was er säte und pflanzte wuchs rascher und trug reichere Früchte. Viele Jahre wirkte er auf dem Hofe, als des Horstensteiners einzige Tochter zur blühenden Jungfrau herangereift war und ein Freier kam und sie heiratete. Eines Tages hörte der Schäfer ein ängstliches Blöken vom Bruch her. Er eilte hin und sah, wie ein Schaf seiner Herde tief im Moor steckte. Es hatte sich von den anderen Tieren entfernt und war auf eine grundlose, sumpfige Stelle geraten. Er versuchte es zu erreichen, trat aber selbst fehl und versank. Lange warteten die Dorfbewohner auf seine Heimkehr. Dann machten sie sich auf, Hirte und Herde zu suchen. Als sie den „Heiland" nicht fanden, mußten sie das Schlimmste annehmen. Der Weidenstab aber, den der Hirte immer mit sich führte und auf den er sich stützte, zeigte ihnen den Platz, an dem er versunken war. Er stand dicht neben einer unergründlichen, moorigen Stelle. So war der Hirte in treuer Erfüllung seiner Pflicht umgekommen. Im nächsten Frühjahr aber schlug der Weidenstab aus, er wurde grün und war nach Jahren schließlich ein großer Baum. Die Leute nannten ihn die „Heilandsweide". Der Baum Die Heilandsweide war mit über 200 Jahren der älteste Baum im Bezirk Tempelhof. Diese Silberweide nördlich des Dorfes am „Königsgraben“ wurde 1927 unter Denkmalschutz gestellt. Ihre Maße waren damals zwei Meter Durchmesser, sechseinhalb Meter Stammumfang und ca. 25 Meter Höhe. Um 1950 war sie durch Sturm und Fäulnis brüchig geworden und musste aus Sicherheitsgründen gestutzt werden. 1951 stand von diesem Naturdenkmal nur noch ein Torso, der mit Lehm, und Zement gefüllt und mit Spanndraht zusammengehalten wurde. Die damals gegründete Arbeitsgemeinschaft zur Pflege der Heimatgeschichte im Bezirk Tempelhof pflanzte ganz in der Nähe einen Ableger. Der Torso der ersten Weide wurde 1956 entfernt. In 56 Jahren wuchs die Heilandsweide Nr. 2 als Straßenbaum ebenfalls zu stattlicher Größe heran, bis auch sie morsch wurde und im Jahr 2012 gefällt werden musste. Aber vorher wurde von diesem Baum ein Ableger genommen und im Jahr 2008 haben der Marienfelder NaturRanger und die Initiative Berlin-Marienfelde diesen Baum in den Naturschutzpark Marienfelde gepflanzt. Der Torso der Heilandsweide wächst dort nun weiter. Am Wechselkrötenteich informiert ebenfalls eine Tafel über die Sage und die Geschichte der Silberweide. Dank der Mitglieder der Initiative Marienfelde und des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg steht seit Herbst 2017 in der Straße „An der Heilandsweide“ wieder eine junge Silberweide und erinnert an die Geschichte des historischen Baumes und die des Schäfers vom Horstenstein. Die Straße Die Heilandsweide stand etwa 60 Meter östlich der jetzigen Marienfelder Allee am Rande des Königsgrabens, der an dieser Stelle als offener Graben von Osten nach Westen verlief. Parallel dazu verlief ein unbefestigter Weg. 1930 wurde in diesem Bereich der Graben verrohrt, d.h. unterirdisch gegen Westen geleitet. Im Rahmen der Notstandsarbeiten erfolgte 1952 der Ausbau zu einer befestigten Straße. Im Jahr 1953 wurde diese Straße „Nr. 37“ in „An der Heilandsweide“ umbenannt. Der Königsgraben Der Königsgraben ist 1776/77 unter König Friedrich II. (der Große) angelegt worden. Nach dem Siebenjährigen Krieg litten die Marienfelder Bauern neben den Kriegszerstörungen besonders darunter, dass ihre Felder nach schneereichen Wintern im Frühjahr unter Wasser standen, was die Saat verdarb und zu Ernteausfällen führte. Sie wandten sich an den König, der den Auftrag zur Erstellung eines Entwässerungssystems (u.a. auch Manntzgraben, Sensgraben) gab, das auch heute noch unterirdisch kanalisiert überschüssiges Wasser durch Lankwitz hindurch in den Teltowkanal leitet. Im Volksmund wurde in Dankbarkeit der Name „Königsgraben“ vergeben. Der Abflussgraben berührte auch das Gut Horstenstein. Vom Süden her kommend durchfließt der Königsgraben den Röte-Pfuhl und den Freseteich. Gut Horstenstein Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Gelände nördlich des Dorfangers als Pfarracker von den damaligen Pfarrern bewirtschaftet. Dieses Land ging später im Kiepertschen Rittergut auf. Als Vorwerk des Ritterguts taucht 1839 erstmals der Name „Gut Horstenstein“ auf. 1841übernahm der Gesangslehrer Rudolf Wilke das Gelände und gründete die „Horstensteiner Baumschule“, die bis 1950 im Besitz der Familie Wilke blieb. In der Bleichertstraße 35 ist die nach den Plänen von Rudolf Möhring gebaute Villa Horstenstein zu sehen. Eine Tuffsteingrotte erinnert auf dem Friedhof Marienfelde an die Familie Wilke. Der Name der Baumschule lebt weiter in der erfolgreichen Züchtung des Edelflieders „Ruhm von Horstenstein“ (Syringa vulgaris). Seit 1957 erinnert auch die Straße „Am Horstenstein“ an das große Gebiet, auf dem unter anderem Mitte der 1960er Jahre der Neubau der Kiepert-Schule errichtet wurde.